Rendezvous-Ratgeber für die Dame

Der erste Schritt ist immer der schwerste und daher dem Mann vorbehalten. Als Frau haben Sie es nicht nötig, Ihr Interesse zu bekunden, sondern warten, bis Sie angesprochen werden. Wenn Ihnen im Café also ein athletischer Traummann mit stahlblauen Augen gegenübersitzt, der schüchtern lächelt, ohne ein erstes Wort zu wagen, dann warten Sie einfach so lange, bis sein Platz von einem bierbäuchigen Zwerg eingenommen wird, der Ihnen auswendig gelernte Anmachsprüche entgegenschleudert. Genießen Sie die weibliche Rolle des passiven Begehrtwerdens.

Bleiben Sie dennoch wählerisch und verteilen Sie so viele Körbe wie möglich. Das kann auf zwei Arten geschehen: So deutlich, dass der Aspirant darauf ins Kloster geht, oder so undeutlich, dass er sich noch monatelang Hoffnungen macht.

Wollen Sie sein Werben erhören, so genügt der Hauch eines angedeuteten Lächelns. Oder der bloße Gedanke daran. Bemerkt er dies nicht, ist er ein Idiot. Fühlt sich ein Anderer angesprochen, ist der ein Sittenstrolch.

Hat Ihnen ein Flirtpartner seine Telefonnummer gegeben, rufen Sie ihn nicht an, weil Sie ja keine Schlampe sind. Hat er Ihre Nummer bekommen, warten Sie nur so lange, bis er außer Sichtweite ist, um dann in Weinkrämpfe auszubrechen, weil der Schuft noch immer nicht angerufen hat. Telefonische Rendezvous-Anfragen lehnen Sie grundsätzlich zweimal ab und akzeptieren beim dritten Mal unter Vorbehalt. Er soll ja nicht denken, dass Sie es nötig hätten.

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Wenn er einen Kinoabend vorschlägt, weil dort gerade „Die Kettensägennymphomanin IV“ angelaufen sei, bestätigen Sie begeistert, gerne mal wieder ins Kino zu gehen, erklären aber an der Kasse, doch lieber die „Liebestränen einer Tulpe“ sehen zu wollen. Sein Augenrollen werten Sie als Zustimmung.

Sollte er während des Films seinen Arm um Ihre Schulter legen, dann beschweren Sie sich, dass er damit Ihre Haare einklemme. Berührt seine Hand Ihr Knie, dann fauchen Sie ihn an, ungestört den Film sehen zu wollen, denn fummeln könne man auch zu Hause. Sein freudiges „Super, lass uns gehen!“ ignorieren Sie höflich.

Während der Vorstellung sollten Sie regelmäßg mit Ihren Freundinnen telefonieren, um über den Fortgang des Filmes zu informieren und den Sittlichkeitsverbrecher an Ihrer Seite anzuprangern. Nachdem vier Stunden wie im Fluge vergangen sind, wecken Sie Ihren Begleiter mit einem zärtlichen Tritt und lassen sich in ein Restaurant ausführen.

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Den Lokaleingang müssen Sie unbedingt als erste erreichen, damit Sie Ihrem Begleiter vorwerfen können, nicht wie ein Gentleman die Tür aufgehalten zu haben. Dann hängen Sie blitzschnell Ihre Jacke an die Garderobe und lamentieren, dass es eigentlich Aufgabe des Herrn sei, einer Dame aus dem Mantel zu helfen.

Steuern Sie nun zielstrebig den besten Platz im Restaurant an, ohne auf seine Empfehlung zu hören. Der beste Platz ist nicht die Eckbank, wo Sie ungestört nebeneinander säßen, sondern der Vierertisch, an dem sich bereits ein älteres Ehepaar gegenübersitzt.

Geeignete Gesprächsthemen fürs erste Date sind Ihr Kinderwunsch und Ihre Exliebhaber sowie Promiklatsch, Horoskope und Mode. Schließlich wollen Sie einen Mann, der Ihre Interessen teilt und mit dem man über alles reden kann.

Sollte er Ihr Dekolletee keines Blickes würdigen, dann fragen Sie ihn gekränkt, ob er sich nichts aus Frauen mache. Starrt er Ihnen in den Ausschnitt, dann fragen Sie ihn gekränkt, ob er noch nicht entwöhnt sei. Geht es ans Bezahlen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder er zahlt für beide, dann ist er ein Chauvinist, oder er fordert getrennte Rechnungen, dann ist er ein Geizkragen.


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Auf dem Nachhauseweg hat er seinen Regenschirm so zu halten, dass Sie selbst trocken bleiben und er wie ein begossener Pudel aussieht. Das gilt auch dann, wenn Sie einen Regenmantel tragen und er nur einen Anzug. Dessen Jackett hat er über die Pfütze zu legen, die Sie vor dem Hauseingang überqueren müssen. Wünscht er noch auf einen Kaffee hinaufzukommen, werfen Sie ihm vor, nur das Eine im Sinn zu haben, und hoffen, damit Recht zu behalten.

Ihr Wohnzimmer ist auf Männerbesuch vorbereitet: Auf dem Couchtisch liegen Beziehungsratgeber und Anne-Geddes-Bücher, eine angebrochene Herpessalbe und zwei benutzte Beinenthaarungsstreifen. Konversationsthemen sind dieselben wie im Restaurant. Sollte das Gespräch irrtümlich auf Autos, Fußball oder Computer kommen, lenken Sie es gekonnt auf Ihren Kinderwunsch zurück. Sagen Sie dann „Apropos...“ und zeigen Sie auf die Schlafzimmertür.

Im Schlafzimmer angekommen, präsentieren Sie stolz Ihre Schlumpf-Bettwäsche und Ihre Frottee-Dessous mit Teddybärmotiven. Das macht Männer an. Die Hälfte des Bettes wird von einem metergroßen Stoffhasen belegt, den Ihr Exfreund Ihnen schenkte, und an beiden hängen Sie doch noch so sehr. „Ein Glück, dass nur der Hase hier liegt!“ mag Ihre Eroberung spotten, was Sie sogleich mit einem giftigen Blick strafen.

Männer sind wettbewerbsorientiert, deshalb wird es Ihren Galan freuen, wenn Sie seine körperliche Ausstattung mit jener seines Vorgängers vergleichen. Sollte er Ähnliches über Ihre Oberweite äußern, töten Sie ihn.

In der Horizontalen angelangt, fallen Sie in Begattungsstarre und warten regungslos auf die Sinnesfreuden, die der Mann Ihnen schuldet. Nach dem Schäferstündchen sprechen Sie von Verlobung und Kindern und bestätigen Ihren Liebhaber darin, dass er der ideale Traumpartner wäre, wenn er nur ein paar Kleinigkeiten an sich änderte - zum Beispiel die Hälfte wöge, doppelt so groß wäre und den Kopf von Brad Pitt hätte.

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Text: Michael Budde

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