Männerwelt: Der Valentinstag

Pfeifenraucher

Es ist Valentinstag und wie alle echten Männer hasst du diesen Tag. Deine Freundin schenkt dir ein selbst gebasteltes Mobile aus Staniol-Schmetterlingen, die um ein rotes Samtherz kreisen, in das eure Porträts eingestickt sind.

Du schenkst ihr das Gleiche wie jedes Jahr: Einen Kinogutschein und eine Packung Kondome, mit dem Hinweis, dass du den Film schon gesehen hast.

Anschließend fahrt ihr zu Uschi und Gerd. Ihr kennt die beiden aus der Tanzschule und habt es bisher versäumt, ihnen die Freundschaft zu kündigen. Gerd ist Sozialpädagoge und Uschi hat auch eine Macke. Du hasst sie beide aus vollem Herzen, aber deine Freundin besteht auf dem alljährlichen Besuch.

Während die Damen das Essen bereiten, sitzt du mit Gerd im Kaminzimmer und lauscht seinem Vortrag über Koedukation. Als du mit der Stirn auf den Tisch schlägst, deutet er dies nicht als Zeichen von Desinteresse, sondern fährt unbeirrt fort. Nach einer halben Stunde stehst du auf und sagst freundlich: „Du, Gerd, entschuldige mich mal eine Minute.“ Dann bleibst du regungslos stehen und siehst schweigend an die Decke. Nach einer Minute setzt du dich wieder und bittest Gerd, doch weiter zu erzählen, aber wie durch ein Wunder scheint ihm die Lust vergangen.

Während des Essens berichten Uschi und Gerd von ihrem Urlaub in Basmati und den herrlichen Reisgerichten der einheimischen Küche. Du erzählst, wie Reis auf deinen Stuhlgang wirkt, es kommt aber zu keinem Erfahrungsaustausch, da das Gesprächsthema plötzlich wechselt. Man schildert die Wanderungen durch die Bergregion und du nimmst lebhaft Anteil, indem du beschreibst, wie Wanderungen auf deinen Stuhlgang wirken.

Uschi unterbricht dich und schwärmt nun von den herrlichen Massagen in der Hotelsauna. Du zeigst dich interessiert und fragst, wie Massagen auf ihren Stuhlgang wirken.

Die Heimfahrt tretet ihr früher an als erwartet. Deine Freundin starrt wütend aus dem Fenster und redet kein Wort mit dir. Du überbrückst die Stille, indem du eine Kuschelrock-CD einlegst und jedes Lied melodisch nachrülpst. Ja, jeder Mann hat seine romantischen Seiten...

Am Abend rufen die Eltern deiner Freundin an und wollen zu Besuch kommen. Du sagst, es habe geschneit und alle Wege seien unpassierbar. Doch das Argument, es herrschten 15 Grad und man würde schließlich auf der anderen Straßenseite wohnen, kannst du nicht entkräften.

Auch der Hinweis auf den Axtmörder in eurer Wohnung verfehlt diesmal seine Wirkung, und so verbringt ihr den Abend zu viert bei ungezwungener Konversation. Dein Schwiegervater in spe versteht darunter, bildungsbürgerliche Bonmots zum Besten zu geben und bei jeder sich bietenden Gelegenheit dein Wissen abzufragen.

„Du hast sicher deinen Ovid gelesen... wie sagten doch unsere Altvorderen... schon bei Lessing heißt es ja... aber wie der Lateiner sagt, spes saepe fallit... schon unser Freund Nietzsche hat es gar so köstlich ausgedrückt... du hast gewiss deinen Ecce Homo verschlungen?“

„Nein, ich bin nicht schwul, und Proust kenne ich nur von spuckenden Comicfiguren“, wendest du höflich ein und steckst dir zwei Salzstangen in die Nasenlöcher, um sie mit einer Bewegung deiner Oberlippe durchzubrechen, was aber misslingt, sodass sie in die Knabberschale zurückfallen und die Attraktivität des übrigen Salzgebäcks mindern. Für den Rest des Abends übt der Vater deiner Freundin eine distinguierte Zurückhaltung, die jedoch ihre Mutter mehr als auszugleichen vermag, indem sie Schwänke aus der Jugend deiner Freundin erzählt, die an Peinlichkeit zu überbieten eine Herausforderung ist, die du sogleich annimmst.

„Ich war früher auch so ein Schlingel“, wirfst du lachend ein, „im Kindergarten habe ich mal allen Jungs eine blutige Nase gehauen und den Mädels unter die Röcke gegriffen.“

„Du Schlawiner“, amüsiert sich deine Freundin, „wie alt warst du denn da?“

„Ach, das muss wohl letztes Jahr gewesen sein, als wir dort die Heizung installierten.“

Die Nacht verbringst du auf der Küchenbank, da deine Freundin das Schlafzimmer abgeschlossen hat. Dein Valentinsgeschenk kommt also wieder nicht zum Einsatz. So undankbar sind die Frauen!

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Text: Michael Budde

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