Wer kennt nicht das Gefühl, eine geliebte Fernsehserie aus Kindertagen wieder im Fernsehen oder auf DVD zu sehen und maßlos enttäuscht zu sein, weil sich die Begeisterung von früher einfach nicht mehr einstellen will?
Das Phänomen erklärt sich dadurch, dass Erinnerung, Realität und Persönlichkeit unterschiedliche Entwicklungen durchmachen:
In der Erinnerung ist die Fernsehserie als „toll“ abgespeichert, aber diese Beurteilung ist jene des Kindes, das man einst war, und bemisst sich am damaligen TV-Angebot. Die Erinnerung blieb all die Jahre unverändert, aber man selbst ist erwachsen geworden und auch die Fernsehlandschaft hat sich geändert.
Als Erwachsener ist man intelligenter und nicht mehr mit unlogischen Plots und sachlichen Fehlern zufrieden. Man hat auch Lebenserfahrung gewonnen und kann besser beurteilen, ob die Charaktere nachvollziehbar handeln. Die jahrelange Fernseherfahrung wiederum lässt viele Storys vorhersehbar werden, der Zauber des Neuen und Überraschenden ist verflogen.
Das Unterhaltungsangebot ist heute ungleich vielfältiger und technisch brillanter. Pappmaché-Kulissen und merkliche Bluebox-Effekte können wir im Computergrafikzeitalter nicht mehr goutieren. Was uns als Kindern eine perfekte Illusion verschaffte, lässt uns heute mitleidig lächeln.
Wo es einst nur drei Programme gab und man schon euphorisch war, wenn überhaupt mal eine Kindersendung oder amerikanische Serie lief, die man ob ihrer Seltenheit bewusst auskostete, gibt es nun dreihundert Programme, durch die man hindurchzappt, bis die gewünschte Sendung gefunden ist. Die Ansprüche sind gestiegen und vieles, was man damals mangels Alternativen vergötterte, würde einem heute beim Durchschalten gar nicht mehr auffallen.
Die eigenen Erinnerungen sind oft das Beste an einer alten Serie. Schaut man sich diese nun erneut an, mit den Augen eines Erwachsenen, so zerstört man die Erinnerung eher als dass man sie auffrischt, denn die visuellen Eindrücke decken sich nicht mit jenen, die man im Gedächtnis hatte, sondern wirken billig und peinlich.
Eine Lösung kann sein, die nostalgischen Sehnsüchte nicht mit der Originalserie zu stillen, sondern mit der zugrunde liegenden Buchvorlage oder einer Hörspieladaption. Die Bilder, die sich dabei im Kopf einstellen, behalten den Zauber der Jugendzeit, werden quasi vom Gehirn automatisch „upgedatet“, denn gespeichert hat man dort nicht das genaue Aussehen der damaligen Zeichentrick-, Marionetten- oder Realserie, sondern nur eine verklärte Version, die das Hirn mit der Bewertung „schön“ hinterlegt hat und daher positiv getönt abruft.
Erfolgreich erprobt habe ich es mit den Hörbüchern zu „Die Mumins“, „Kalle Wirsch“ und „Biene Maja“, bei denen es sich um Lesungen der Original-Romanvorlagen handelte. Auf diese Weise lebt die Faszination der alten Geschichten wieder auf, ohne dass man sich an Marionettenfäden, Kinderliedeinspielungen oder stockenden Zeichentrickanimationen stören müsste.