Das zweite Vergrämer-Buch

Geschätzte zwanzig Jahre nach seinem Erstlingswerk widmet sich Jan-Uwe Fitz erneut der Figur des Taubenvergrämers. Das Buch handelt von einem Mann im schwarzen Hemd, dem eine Taube von der linken Schulter läuft. So weit, so gut. Ich an Ihrer Stelle würde es kaufen!

Ach, Moment, jetzt habe ich die Schutzfolie doch noch aufbekommen, dann steige ich etwas tiefer in die Buchbesprechung ein.

„Wenn ich was kann, dann nichts dafür“ ist weniger ein Roman als vielmehr ein episodisches Drama, das ausschließlich von seinen komischen Dialogen lebt, deren absurde Begleitumstände nur kurz angedeutet werden. Wer die Gelegenheit hatte, einer Lesung des Autors beizuwohnen, kommt nicht umhin, sich eine Hörspielversion des Buches zu wünschen, und Kekse, denn Kekse sind lecker.

Der rote Faden der Handlung ist mehrmals um den Finger gewickelt, ausgefranst und nicht einmal rot: Aus seinem Schweizer Heimatdorf kommt der Titelheld nach Berlin, um dort als Kammerjäger Tauben zu verscheuchen, ist seiner Aufgabe aber weder fachlich noch emotional gewachsen. Nach zehn Jahren fasst er den Entschluss, Berlin den Rücken zu kehren und lässt sein Hab und Gut bei einer Umzugsfirma einlagern, verbringt aber weitere sechs Jahre in der leeren Wohnung, bis es ihn zeitweilig nach Venedig verschlägt und er schließlich in die Hauptstadt zurückkehrt. Als soziophober Misanthrop scheitert er dabei immer wieder im Kontakt mit anderen Menschen, seien es Kunden oder Nachbarn, woraus sich die irrwitzigsten Dialoge ergeben:

„Meine Frau ist tot. Letzte Woche gestorben. Sie haben sie knapp verfehlt.“
„Aha.“
„Können Sie nicht was Mitfühlendes sagen? Das würde mich bestimmt trösten. Mir geht’s nicht gut.“
„Sie vermissen sie bestimmt sehr.“
„Geht so. Ihre Leiche liegt noch im Schlafzimmer. Das macht ihren Tod natürlich ein Stück leichter.“
(S. 80ƒ)

„Geben Sie es zu“, sage ich aufgebracht, „SIE haben die Tauben festgetackert!“
„Ich? Nein. Warum sollte ich das tun? Die Tauben können sprechen, da werden sie bestimmt auch tackern können.“
„Ich glaube, die Tauben können gar nicht sprechen. SONDERN SIE SIND BAUCHREDNER!“
„Ich? Bauchredner? Ich weiß gar nicht, was ein Bauchredner ist.“ Er lacht nervös und heiser.
„Sie lügen!“
„Wollen Sie damit sagen, dass ich lüge?“
(S. 85ƒ)

Storyline, Charakterentwicklung, üppige Umweltbeschreibungen wird man nicht finden, es ist kein Buch für Herz und Verstand, sondern für Zwerchfell und Oberschenkel: Man wähnt sich in einer Abfolge von Monty-Python-Sketchen, muss lachen, schmunzeln, den Kopf schütteln oder debil grinsen. Mehrheitsfähig ist das auf keinen Fall, und genau deshalb lesenswert.

Comedyromane mögen in Mode sein, aber der Vergrämer ist heftiger, schonungsloser, absurder – schlicht: bekloppter – als es der arglose Leser erwarten wird.

Einen Moment bitte, ich bekomme gerade eine Nachricht unserer Blog-Frauenbeauftragten.

Die Gendergerechtigkeit gebietet, dass ich nicht das Buch eines Mannes rezensiere, ohne zugleich das Werk einer Frau zu besprechen.

Wenig überraschend handelt es sich dabei um Nadine Hillmakers Opus Magnum „Fick Zombies in der Leichenhalle“, das mir vom ZDF empfohlen wurde.

Dieser siebenseitige Bildungsroman kostet 2,99 Euro und kommt damit auf einen Seitenpreis von 43 Cent, ist also voraussichtlich zehnmal so gut wie das Buch von Jan-Uwe Fitz, das nur 3,6 Cent pro Seite kostet.

Leichen haben beide Bücher zu bieten, aber das Feld der Sinnlichkeit bleibt von Fitz unbestellt, während Hillmaker so fein ziselierte Erotismen bietet wie:

„Sie griff nach unten und begann ihn zu masturbieren, bis sie nicht mehr länger warten konnte und sich seinen Schwanz in die Möse schob.“

Das ist schön formuliert, beredter Ausdruck gediegenen Stilempfindens. Wie plump hätte eine Autorin mit weniger Feingefühl hier dilettiert, wie grob erst ein männlicher Autor!

Auch Dialogfäden weiß Nadine Hillmaker kunstvoll zu spinnen:

„Du alte Pott-Sau! schrie Gerd aufgebracht, als Beate zu schnattern und zu knattern begann. Was zum Henker hast Du bloß zuletzt gefressen? Gar nichts, ich hatte gerade einen Magen-Darm-Infekt, als es mich erwischt hat“

Liebesgeflüster, wie es nur eine Frau so elegant in Worte zu kleiden weiß, Jan-Uwe Fitz muss sich hier geschlagen geben. Auch in der Namensgebung seiner Charaktere leistet er sich Schwächen: Herr Menke, Frau Wolters, Ehepaar Meiser – wie kraftlos klingt dies gegenüber den Zombienamen Stummel-Sven, Banana-Bernd und Gürckchen-Gerd, die gewiss eine Anspielung auf die Nasenlänge sind.

Abschließend kann mein Urteil nur lauten, dass die Zukunft der Literatur in Frauenhand liegt. Skeptiker mögen einwenden, auch Jan-Uwe Fitz könne Pseudonym einer Schriftstellerin sein, aber das ficht mich nicht an.

Was immer Sie lesen werden: Essen Sie dabei doch Kekse! Denn Kekse sind Genuss und Spaß, ein kulinarisches Feuerwerk der guten Laune. Herr Bahlsen aus Hannover schrieb mir dazu erst neulich: „Ja, es stimmt. Kekse sind Genuss und Spaß und ein kulinarisches Feuerwerk der guten Laune.“

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Man lese auch meine anderen Rezensionen.